Identität
Schon im Jugendalter stellt laut Erik Erikson die Entwicklung der eigenen einzigartigen Identität eine enorme Herausforderung dar. Jugendliche identifizieren sich mit ihrem Umfeld, den Werten der Eltern, den Eindrücken Gleichaltriger und vieler anderer Menschen. Dabei werden Ideale übernommen, Orientierungsmöglichkeiten und Vorbilder gesucht, gegen vieles rebelliert oder gar abgelehnt.
Dadurch entsteht ein konstantes Selbstgefühl, welches dabei hilft, Freundschaften zu schließen, Entscheidungen zu treffen, ein Zugehörigkeitsgefühl zu entwickeln, etc. Außerdem spielt Identität eine wichtige Rolle beim Selbstwert und bei der Selbstwahrnehmung. Dabei stellen ein realistisches Körperbild, eine gleichbleibende Einstellung sowie ein beständiges Verhalten und die Geschlechtsidentität wichtige Bestandteile der Identität dar. Das kann sich zeigen, in dem man weiß, wie man selbst auf andere wirkt, eine Beziehung eingeht oder körperliche Intimität zulässt, sich für einen Beruf entscheidet.
Zu Verwirrungen der Identität und der eigenen Rolle kann es kommen, wenn Jugendliche diese Aufgaben nicht lösen können. Dabei kann dieses schwankende Selbstbild zwischen einer „Identitätskrise“ und einer „Identitätsdiffusion“ unterschieden werden.
Identitätskrisen entwickeln sich normalerweise zu einer gefestigten Identität, die durch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gekennzeichnet ist. Dabei spielt oftmals eine große Diskrepanz zwischen der Selbst- und der Fremdwahrnehmung eine große Rolle, die schnelle körperliche Veränderung, die Entwicklung des psychischen Empfindens und Einordnens, was zu Überforderung und dabei zu einer Identitätskrise führen kann. Auch das offene und experimentierfreudige Ausprobieren verschiedener Rollen gehört zu solch einer Identitätskrise dazu. Jedoch führt auch dieses Verhalten über die Zeit und verschiedene Situationen hinweg zu einer stabilen Identität. Ziel dabei ist es, zwischenmenschliche Beziehungen einzugehen, also Freundschaften zu schließen oder sexuelle sowie intime Beziehungen zuzulassen, ein angemessener Umgang im sozialen Kontakt, z.B. Eltern, Lehrer, sich realistische Ziele im Leben zu setzen, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Eine Identitätsdiffusion kann zu einer pathologischen Persönlichkeit, sogar einer Chronifizierung einer Persönlichkeitsstörung führen, die sich durch unangepasstes und dysfunktionales Verhalten kennzeichnet. Das bedeutet:
- ein fehlendes chaotisches Selbstbild, eine unreflektierte Selbstwahrnehmung (sich nicht selbst definieren können, Perspektivverlust)
- Pseudo-Unterwürfigkeit oder Pseudo-Aufsässigkeit
- wichtige Bezugspersonen nicht einordnen zu können
- eine Überidentifikation oder Rollenabsorption mit Gruppen oder Rollen,
- vertrauliche Beziehungen einzugehen
- schmerzliche Inkohärenz, d.h. die Erfahrung von innerer Leere und Verlorenheit
- Sprunghaftigkeit, der „Chamäleoneffekt“
- mangelnde Verbindlichkeit, an Zielen und Interessen festzuhalten
Quelle:
Foelsch, P. A., Krischer, M. K., Schlüter-Müller, S., & Schmeck, K. (2010). Differenzierung zwischen Identitätskrise und Identitätsdiffusion und ihre Bedeutung für die Behandlung. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 59(6), 418-434.
Kreisman, J. J., & Straus, H. (2020). Zerrissen zwischen Extremen: Leben mit einer Borderline-Störung-Hilfe für Betroffene und Angehörige. Kösel-Verlag.